Neues Urteil vom Bundesfinanzhof zu ambulanten Pflege- und Betreuungsleistungen
Bislang vertrat die Finanzverwaltung die Auffassung, dass Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung sei, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen selbst eine Rechnung erhalte und die Zahlung auf das Konto des Leistungserbringers erfolge.
Dieser Auffassung erteilte der Bundesfinanzhof in seinem neuesten Urteil vom 12.4.2022 nun eine klare Absage.
In dem Urteil zugrundeliegenden Fall hatte eine Tochter (= Klägerin und Steuerpflichtige) zur Versorgung ihrer noch im eigenen Haushalt lebenden pflegebedürftigen Mutter im Jahr 2015 mit dem ambulanten Pflegedienst am Wohnort der Mutter, der ca. 100 km vom Wohnort der Klägerin entfernt lag, eine Vereinbarung zur Erbringung von Pflegeleistungen (wie Einkaufen, Betreuung, Begleitung, Pflege, Hauswirtschaft) geschlossen. Im Eingang des Vertrags war die Mutter der Klägerin als Leistungsnehmerin aufgeführt. Der Vertrag sowie der Anhang hierzu waren im Textfeld „Leistungsnehmer/in“ von der Klägerin unterschrieben. Die vom ambulanten Pflegedienst gestellten Rechnungen wiesen die Mutter als Rechnungsempfängerin aus. Übersandt wurden die Rechnungen an die Klägerin, die sie auch durch Banküberweisung beglich.
Strittig war im vorliegenden Fall die Abziehbarkeit eines von der Klägerin in ihrer Einkommensteuererklärung 2016 geltend gemachten Gesamtbetrags in Höhe von knapp 1000 € für die Inanspruchnahme der ambulanten Pflege zugunsten ihrer Mutter. Der Bundesfinanzhof sah die Klage als begründet an und stellte klar, dass für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung weder Voraussetzung ist, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten noch ein Kreditinstitut in den Zahlungsvorgang eingebunden hat.
Allerdings konnte der Bundesfinanzhof nicht abschließend in der Sache entscheiden, da unklar war, ob die Tochter mit dem ambulanten Pflegedienst einen Pflege- und Betreuungsvertrag in eigenem Namen, wenn auch zugunsten der Mutter, abgeschlossen hatte und damit als Vertragspartner und somit Verpflichtete des Vertrags mit dem ambulanten Pflegedienst eigene Aufwendungen trug oder aber ob sie die Mutter nur bei deren Vertragsabschluss vertreten hatte und insoweit nur steuerunerheblicher Drittaufwand vorlag. Der Bundesfinanzhof verwies daher die Sache an das zuständige Finanzgericht zur Nachholung der entsprechenden Feststellungen zurück.
Unser Tipp für Steuerpflichtige
Steuerpflichtige, die ambulante Pflege- oder Betreuungsleistungen für ihre Angehörigen übernehmen, sollten – sofern sie die Steuerermäßigung dafür in Anspruch nehmen wollen – vertraglich ausdrücklich regeln, dass sie den Pflege- und Betreuungsvertrag im eigenen Namen zugunsten des Pflegebedürftigen abschließen und ihn nicht lediglich beim Vertragsschluss vertreten. Nur auf dieser Basis kann ein Steuerpflichtiger dann die Steuerermäßigung in Anspruch nehmen, unter der Voraussetzung, dass er die Aufwendungen für die ambulante Pflege zugunsten des Pflegebedürftigen tatsächlich selbst getragen hat. Zudem ist der Steuerpflichtige gut beraten, entsprechende Zahlungsnachweise dennoch vorzuhalten, da ihn weiterhin eine allgemeine Nachweispflicht der Aufwendungen gegenüber der Finanzbehörde trifft.